Wird durch das Spiralstabilisations-Training das Immunsystem verbessert? Und wie kann das Post-Covid-Syndrom gelindert werden? Wir haben den Begründer der Spiralstabilisations- Trainingsmethode, Dr. Richard Smíšek, gefragt.
Nach der Erkrankung an Covid-19 entwickeln viele Menschen das so genannte Post-Covid-Syndrom. Sie klagen über Rückenschmerzen, zunehmende Müdigkeit und Energiemangel. Könnte Covid-19 einen direkten Einfluss auf Rückenschmerzen haben?
Alle Grippeviren, einschließlich Covid-19, beeinträchtigen die Funktion der Mitochondrien in unserem Körper. Mitochondrien sind membranumhüllte Organellen, in denen die Energie für alle Reaktionen in der Zelle durch den Prozess der Zellatmung erzeugt wird. Einfach ausgedrückt: Wenn unser Körper in Spannung kommt, sind die Mitochondrien für die Freisetzung von Stress in unserem Körper verantwortlich. Diese Freisetzung erfordert jedoch viel Energie, und wenn die Mitochondrien durch einen Virus geschädigt sind, fehlt dem Körper diese Energie. Die Muskelverspannungen bleiben also bestehen, was Rückenschmerzen, Müdigkeit und schlechte Laune verursacht. Deswegen ist man nach dem Durchleben einer Grippe immer steif und man muss sich nach und nach entspannen und trainieren. Der entspannte Muskel wird dann durchblutet, damit Energie fließen kann, und das beeinflusst nicht nur unsere physische, sondern auch psychische Seite aus.
Ist es möglich, den Krankheitsverlauf durch regelmäßiges Training zu mildern?
Wer körperlich und geistig fit ist, wird das Virus viel besser bekämpfen. Es ist notwendig, dem Körper nach dem Durchleben einer Krankheit Lebensenergie zuzuführen, und wer sie hat und jeden Tag daran arbeitet, hat eine bessere Chance, dass der Verlauf einer Grippe oder einer anderen Krankheit leichter wird oder dass man gar nicht erkrankt. Im Idealfall bringen wir die steifen Muskeln und den Körper in Bewegung, indem wir sie allmählich lockern und gleichzeitig stärken, wofür die Spiralstabilisation ideal ist. Bei dem Training wird ein geringer Kraftaufwand (Entspannung und Kräftigung) eingesetzt, und die Übungen sind so konzipiert, dass in etwa zehn bis fünfzehn Minuten alle Muskeln des gesamten Körpers gedehnt werden. Diese umfassende Entspannung und Dehnung aller Muskelketten wirkt sich dann natürlich positiv auf unser weiteres Funktionieren aus. Natürlich gibt es Ausnahmen, und auch ein völlig gesunder Mensch kann erkranken und die Krankheit kann bei ihm bleibende Folgen hinterlassen.
Eines der unangenehmen Symptome von Covid-19 ist Kurzatmigkeit, die auch noch viele Wochen nach Abklingen der Krankheit anhalten kann. Was kann man dagegen tun?
Die Arbeit mit dem Atem ist wichtig. Beim Spiralstabilisations-Training kommt es zu einer enormen Bewegung des Brustkorbs. Da diese Übungen dem natürlichen Gang nachempfunden wurden, geben wir dem Körper die Möglichkeit, in einer natürlichen Bewegung zu arbeiten und auf diese Art und Weise Herz und Lunge allmählich zu belasten. Daher kann diese Methode auch von Menschen mit Lungenerkrankungen oder koronarer Herzkrankheit angewandt werden. Wenn wir lernen, richtig zu atmen, vergrößern sich unsere Lungen ausreichend und es gelangt mehr Sauerstoff in sie. Ebenfalls hat das Herz mehr Bewegungsspielraum, ist gut mit Sauerstoff versorgt und dadurch arbeitet es besser. Deshalb wird beim Spiralstabilisations-Training so großen Wert auf die Atmung gelegt. Sie hilft, leichter einige Positionen einzunehmen, und die Atmung kann helfen, blockierte Bereiche zu lösen. Die Atmung ist daher ein wesentlicher Bestandteil dieser Methode.
Neben der Krankheit selbst hat die Covid-19-Pandämie zu sekundären Gesundheitsproblemen geführt, die auf den Bewegungsmangel zurückzuführen sind. Zeigt sich das zum Beispiel in Ihrer Praxis?
Ja, während der Covid-19-Pandämie haben nicht nur ich, sondern auch meine Kollegen, Physiotherapeuten, festgestellt, dass die Anzahl der Skoliose-Patienten, insbesondere bei Kindern, gestiegen ist. Skoliose stellt bei heutigen Kindern ein wachsendes Problem dar, wir behandeln schwere skoliotische Verkrümmungen, die sich sehr schnell verschlechtern. Und das geht dann Hand in Hand mit Herz-Kreislauf-Problemen und Adipositas. Dies gilt natürlich nicht nur für Kinder, sondern auch für Erwachsene oder ältere Menschen. Bei älteren Menschen kommt zu dem Bewegungsmangel noch hinzu, dass sie häufiger von ihrer Familie getrennt sind und weniger Kontakte haben, was natürlich weder geistig noch körperlich hilfreich ist.
Gibt es also ein Rezept, um auch im hohen Alter fit zu bleiben?
Ich möchte Ihnen ein Beispiel von einer Kollegin aus Deutschland geben, die dort die Spiralstabilisationskurse anbietet. In Deutschland werden die Kosten für dieses Training von Krankenkassen getragen, und jeder Rentner hat so die Möglichkeit, regelmäßig und kostenlos daran teilzunehmen. An ihrem Kurs haben etwa 1.200 Personen teilgenommen, die jeden Tag eine Stunde lang trainieren, dazu machen sie kürzere Spaziergänge. Nachdem meine Kollegin ihre Klienten einige Zeit lang beobachtet hatte, stellte sie fest, dass in den letzten zwei Jahren kein einziger Klient wegen Covid-19 ins Krankenhaus eingeliefert wurde, und generell nur sehr wenige ihrer Klienten infiziert waren und falls ja, dann hatten sie einen milden Verlauf. Das Rezept ist damit klar: Regelmäßige Bewegung ist sehr wichtig, ebenso wie das Erlernen des korrekten spiralförmigen, stabilisierten Gangs, tägliche Spaziergänge und Atemübungen.
Und gibt es neben dem Training noch etwas, was Sie tun, um fit zu bleiben?
Ich laufe zum Beispiel seit ein paar Jahren zu Hause barfuß, und auch das Spiralstabilisationstraining wird ohne Schuhe durchgeführt. Es ermöglicht eine intensivere Verbindung dieser Muskelketten und eine bessere Koordination. Außerdem befinden sich auf der Fußsohle zahlreiche Akupressurpunkte, die durch das Barfußlaufen auf natürliche Weise stimuliert werden. Und wie bei den Muskelketten ist alles mit allem anderen verbunden, so dass eine gute körperliche Verfassung auch eine positive Haltung mit sich bringt, und das sollten wir beibehalten - besonders in der heutigen Zeit.
